Nur die wenigsten Länder verfügen heute noch über mehr als eine Münzstätte. Die United States Mint hat weiterhin vier aktive Produktionsstandorte, was sie zur mit Abstand größten Münzstätte der Welt macht. Der älteste dieser Standorte ist die Münzstätte in Philadelphia. Die ist so groß, dass sie die Zusammenrechnung mit den anderen Standorten überhaupt nicht braucht, um sich den Titel als größte Münzstätte der Welt zu sichern!
Die erste Münzstätte der Vereinigten Staaten
Die Geschichte der Münzstätte in Philadelphia ist eng mit der Gründungszeit der USA verknüpft. In Artikel 1, Abschnitt 8 der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika steht zu lesen: „The Congress shall have the power … to coin money“ (= der Kongress soll die Macht besitzen, Geld zu prägen). Um dieses theoretische Recht in die Realität umzusetzen, beauftragte der Kongress am 15. April 1790 den Finanzminister Alexander Hamilton, einen Plan für eine Münzstätte vorzulegen. Zwei Jahre später, am 2. April 1792 genehmigte Präsident Washington persönlich ihren Bau in der damaligen Hauptstadt der noch blutjungen Vereinigten Staaten, Philadelphia. Damit war die Münze in Philadelphia sogar das erste Bundesgebäude, das gemäß der Verfassung und zur öffentlichen Nutzung errichtet wurde.
Noch 1792 wurden hier die ersten Münzen geprägt. Es waren silbernen Half Dimes (damals noch „Dismes“ geschrieben, jedoch bald wegen mangelnder Französisch-Kenntnisse in den USA als Dimes benannt). Nach einer verbreiteten Legende sollen sie aus eingeschmolzenem Tafelsilber geprägt worden sein, das die Familie Washington höchst selbst zu diesem Zweck gespendet haben soll. Es is allerdings umstritten, ob diese Münzen je für den Umlauf vorgesehen waren. Als erste „echte“ Umlaufmünze gilt daher der sogenannte „Chain cent“ aus Kupfer, der nur im Frühjahr 1793 produziert wurde – muss extra erwähnt werden, dass beide Münztypen heute zu den Teuersten und Begehrtesten der USA gehören?
Auch als später Washington als neue Hauptstadt aus dem Boden gestampft wurde, bliebt die sehr effizient arbeitende Münze in Philadelphia beheimatet. Heute sitzt zwar die Verwaltung der Münzstätten in DC, aber eigene Münzen werden dort bis heute nicht produziert.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts reichte die Kapazität der Münzstätte bald nicht mehr aus, um die wachsenden USA mit Münzen zu versorgen. Daher wurde 1833 ein größeres Gebäude errichtet und fast gleichzeitig die ersten anderen Münzstätten im Land errichtet. Während diese je nach Goldfunden und politischer Lage kamen und gingen, blieb Philadelphia die wichtigste Münzstätte. 1901 musste erneut ein größerer Standort gefunden werden, und als auch der nicht mehr ausreichte, zog die Münzstätte 1969 an den Standort, wo man sie bis heute findet.
Die Münze heute
Der heutige, vierte Standort ist nur zwei Blöcke von der ersten Stätte entfernt. Der riesige Komplex wurde mit modernen Sicherheitsanforderungen gebaut und mit seinen kleinen Fenstern daher nicht unbedingt eine Schönheit. Auf einem über 20.000 Quadratmeter großem Grundstück mit etwa 46.000 Quadratmetern an nutzbarer Fläche arbeiten 426 Angestellte – damit handelt es sich um die größte Münzstätte der Welt.
Und nicht nur das – die Philadelphia Mint ist auch die produktivste Münzstätte der Welt. Unvorstellbare 32-35 Millionen Münzen können hier pro Tag produziert werden, oder auch eine Million Münzen in 30 Minuten. Zum Vergleich: Für die erste Million amerikanischer Münzen brauchte die erste Philadelphia Mint drei Jahre.
Münzen aus Philadelphia erkennt man daran, dass sie das Münzstätten-Zeichen P tragen. Das ist jedoch erst seit 1980 durchgehend der Fall. Zuvor führten alle anderen Münzstätten einen Buchstaben, aber nicht Philadelphia. Die Erklärung dafür ist schnell gefunden: Münzstätten-Zeichen sollten ursprünglich nachvollziehbar machen, aus welcher Münzstätte eine Münze stammt, um Produktionsfehler und Abweichungen nachzugehen. Da Philadelphia ursprünglich die einzige Münzstätte war, brauchte es so ein Unterscheidungsmerkmal zunächst nicht.
In einem weiteren Punkt hat die Münze Philadelphia eine Sonderrolle unter den US-Münzstätten: Sämtliche Entwürfe und Modelle für US-Münzen werden bis heute in Philadelphia produziert. Alle Graveure und Grafiker arbeiten hier und nicht in der Zentralverwaltung in Washington.
Eine breite Produktpallette und viele Knaller
In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurde ein großer Teil der US-Münzen in Philadelphia geprägt, darunter natürlich auch die meisten der großen Highlights.
Das prominenteste Beispiel ist sicher der St. Gaudens Double Eagle von 1933, der lange als die wertvollste Münze der Welt galt. Die von 1907 bis 1933 geprägte Goldmünze nach einem Entwurf des berühmten Bildhauers Augustus Saint-Gaudens, die übrigens als schönste Goldmünze der Vereinigten Staaten gilt, wurde über die verschiedenen Münzstätten der USA verteilt hergestellt. Doch der heute hochgradig seltene Jahrgang 1933, der eigentlich vollständig eingeschmolzen werden sollte, wurde nur in Philadelphia geprägt. Gleiches gilt übrigens für die ebenfalls sehr wertvollen Hochrelief-Proben und Erstauflagen von 1907.
Auch die aktuell teuerste Münze der Welt, der „Flowing Hair Dollar“ von 1794, wurde selbstverständlich in „Philly“ geprägt. Sie wurde 2013 für knapp über 10 Millionen US-Dollar verkauft. Traditionell wird auch die höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten, die Goldmedaille des Kongresses, deren erster Träger George Washington war, bis heute in der Münzstätte von Philadelphia hergestellt. Die beindruckende Liste ließe sich beliebig fortsetzten.
Bis heute werden in Philadelphia Kursmünzen, Gedenkmünzen und Medaillen hergestellt. Lediglich bei der Produktion von Anlagemünzen spielt Philadelphia kaum eine Rolle – da hat West Point die Nase vorn.
Die meisten zeitgenössischen Münzen werden an mehreren Standorten geprägt, einige primär silberne Gedenkmünzen werden aber auch nur in Philadelphia produziert. 2021 erscheint beispielsweise die letzte Münze der beliebten Reihe von 56 „America the Beautiful“-Vierteldollars. Hier wird für den Staat Alabama an die afroamerikanischen Tuskgee Airmen erinnert, die als Piloten im Zweiten Weltkriegen kämpften. Die äußerst beliebten größeren Sammlerversionen der Quarter aus Silber werden ausschließlich in Philadelphia geprägt und sind für diese letzte Münze der Serie ab April erhältlich. Auch der 2020 erschienene Silberdollar, der 100 Jahre Frauenwahlrecht in den USA zum Anlass hat, wurden nur in Philadelphia geprägt. Und als 2020 die ersten US-Farbmünzen überhaupt geprägt wurden, wurde eine der Versionen selbstverständlich in Philadelphia geprägt.
Die Qualität der Münzen und Motive bleibt nicht unbemerkt: beim erst kürzlich vergebenen diesjährigen Coin of the Year Award schaffte es eine 2019 in Philadelphia geprägte Münze auf das fünfzigste Jubiläum der Mondlandung auf den ersten Platz und wurde die Coin of the Year (wir berichteten). Außerdem gewann sie die Titel „Beste Münze zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis“ und „Beste Silbermünze.“ Wir sind gespannt, was sich die traditionsreiche Münzstätte als nächstes ausdenkt!