Die Swissmint erinnert mit ihrer neusten, am 11. Mai 2022 ausgegebenen Gedenkmünze an die letzte Prägung des 10-Franken-Vrenelis vor 100 Jahren. Eine gute Gelegenheit, sich die Geschichte der ikonischen Schweizer Goldmünze in Erinnerung zu rufen.
Die Schweiz sucht eine moderne Helvetia
Die ersten Münzen der frisch gegründeten Schweizerischen Eidgenossenschaft wurden 1850 ausgegeben. Zunächst wurden keinerlei Goldmünzen geprägt. Das änderte sich 1883, als goldene 20-Franken-Münzen eingeführt wurden. Da die mit mit dem Kopf der „Libertas“, der Freiheit, versehenen Stücke jedoch bald als etwas altmodisch und wenig Schweiz-spezifisch galten, schrieb das Eidgenössische Finanzdepartement 1895 einen Wettbewerb aus, um ein neues Design für die 20-Franken-Stücke zu finden. Die Kommission formulierte das so: „Das neue Münzbild soll durch ein schweizerisches, nationales Motiv, durch allegorische oder historisch-symbolische Darstellung der Schweiz die Helvetia zum allgemein-verständlichen Ausdrucke bringen.“ Es zeigte sich, dass es gar nicht so einfach war, eine solche Allegorie zu finden. Da keines der eingereichten Modelle den Vorstellungen der Kommission entsprach, wurde der erste Preis nicht vergeben und der Gewinner des zweiten Platzes aufgefordert, seinen Entwurf zu überarbeiten. Das tat Fritz Ulysse Landry und überarbeitete seinen Kopf der Helvetia, der den Herren der Kommission zu jung, zu individuell, zu schwärmerisch erschienen war. Auch der zweite Entwurf war noch nicht so ganz im Sinne der Kommission, kam aber immerhin soweit, dass Probeprägungen angefertigt wurden. Die wurden dem zuständigen Magistrat zur Genehmigung geschickt – und prompt zurückgewiesen. Eine Stirnlocke gebe doch „dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen“. Und dies sei nun wirklich nicht mit der Würde einer Personifikation der Schweiz vereinbar.
So ließ man also die Locke weg und brachte schließlich 1887 die ersten Münzen in Umlauf. Und löste eine gewaltige Diskussion aus. Die einen meinten, die Schweiz sei nicht mit einem jungen Mädchen, sondern höchstens mit einer schönen Frau und Mutter zu vergleichen. Die anderen opponierten gegen die Berge im Hintergrund, schließlich wolle man als moderner Industriestaat endlich vom Image des Berg- und Hirtenvolks loskommen. Wieder andere hätten sich gar den Wilhelm Tell als Münzbild gewünscht.
Was damals umstritten war, ist bis heute in der Schweiz die beliebteste Goldmünze überhaupt: Das Goldvreneli. Es wird beispielsweise immer noch zu den traditionellen Festen und zur Geburt als Patengabe verschenkt oder als Wettbewerbspreis ausgeschrieben. Der Name Vreneli ist eigentlich nur ein Spitzname, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Münze durchsetzte. Es handelt sich um eine Verniedlichung des in der Schweiz beliebten Frauennamens Verena – der auch als Synoym für Mädchen verwendet wird – und bezieht sich natürlich auf die junge Frau auf der Vorderseite der Münze.
Bis 1949 und damit ein halbes Jahrhundert lang wurden die Vrenelis geprägt, und das in hohen Auflagen. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 58,6 Millionen Exemplare ausgegeben. Ihre große Zahl führt dazu, dass sie heute meist zum Goldpreis gehandelt werden und auch als Anlagemünze in der Schweiz und darüber hinaus beliebt sind.
Selbstverständlich gibt es dennoch auch unter den Vrenelis große Raritäten und echte Schätze. Zum Beispiel die erwähnten Probeexemplare mit der zu frivolen Locke. Sie gehören zu den größten Raritäten der Schweizer Numismatik und bringen in Auktionen bis zu 150.000 CHF (ca. 143.000 Euro) Oder auch die 1897 geprägten Exemplare aus Gold, das im Goldbergwerk von Gondo (Kanton Wallis) gewonnen wurde. Die Stücke, die an ihrem helleren Goldton und einer Punze auf der Rückseite zu erkennen sind, erzielten in Auktionen bis zu 100.000 CHF (ca. 95.000 Euro) . Nur 29 Münzen dieses Typs wurden aus Gondo-Gold geprägt.
Darum geht es der Swissmint eigentlich: das halbe Vreneli
Soweit zum Vreneli. Doch eigentlich geht es der Swissmint mir ihrer neuen Gedenkmünze ja nicht um das klassische Vreneli, die 20-Franken-Münze, sondern um die Münze zu 10 Franken, gelegentlich als „halbes Vreneli“ bezeichnet. Für die Swissmint selbst ist diese Münze die „kleine Schwester des legendären 20-Franken-Goldvreneli“. Die Geschichte dieser kleinen Schwester beginnt erst 1910 und geht auch nicht besonders lang. Erstmals in der Geschichte der Schweiz sollten damals Goldmünzen im Wert von 10 Franken ausgeprägt werden. Am liebsten hätte man dafür das Design des Vrenelis vollständig übernommen. Allerdings stellte sich heraus, dass eine Umsetzung des gleichen Motivs bei dem geringeren Durchmesser und der geringeren Dicke der Münze nicht möglich war. Das Relief wäre zu hoch gewesen, es hätte schlicht nicht genug Metall in der Mitte der Münze dafür gegeben. Ein neues Wertseitenmotiv sollte her, mit möglichst wenig Reliefhöhe in der Mitte. Mit der Gestaltung wurde erneut Fritz Landry beauftragt, der schon 15 Jahre zuvor das 20-Franken-Stück entworfen hatte.
Landrys neuer Wertseiten-Entwurf zeigte zuoberst ein Schweizerkreuz im Strahlenkranz, weiter unten die Jahreszahl umgeben von Zweigen der Alpenrose, darunter das Münzstättenzeichen B für Bern. Die Wertangabe 10 und FR sind links und rechts der Mitte verteilt. Das Ergebnis gefiel durch seine aufgeräumte Anordnung der Elemente. Der Kopf der Helvetia auf der Bildseite blieb nahezu unverändert, lediglich die Signatur F. Landry wanderte von rechts unten nach links unten.
Zwischen 1911 und 1916 wurden jährlich zwischen 100.000 und 600.000 Exemplare dieser Münze geprägt. 1917 bis 1921, also in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges und den ersten Jahren danach, wurden keine Vrenelis geprägt, weder halbe noch ganze. 1922 – vor genau einhundert Jahren – wurden dann nochmals 1.020.000 halbe Vrenelis geprägt.
Seltenheiten und Preise
Und damit endete die Prägung der 10 Franken im Jahr 1922. Hundert Jahre später nahm die Swissmint dies zum Anlass für ihre neue Gedenkmünze. Insgesamt wurden zwischen 1911 und 1922 2,65 Millionen halbe Vrenelis geprägt – eine verschwindend geringe Zahl im Vergleich zu den 58,6 Millionen Vrenelis zu 20 Franken. Dennoch sind die Stücke nicht selten genug, um wesentlich über den Goldpreis gehandelt zu werden. Ausnahme sind die seltensten Jahrgänge 1911 (Auflage: 100.000) und 1916 (Auflage: 130.000), die oft einen höheren Sammlerwert erzielen. Die absoluten Kostbarkeiten unter den 10 Franken sind jedoch die Probeprägungen, die 1910 und 1911 entstanden. Insgesamt wurden 56 Exemplare geprägt, 28 pro Jahrgang. Man erkennt sie am Wort „ESSAI“ links auf der Wertseite. Der Auktionsrekord für eine Probe von 1910 liegt bei 65.000 CHF (ca. 62.000 Euro). Eine Probe von 1911, von der angeblich nur ein einziges Exemplar in Privatbesitz sein soll, wurde sogar für 140.000 Franken (133.000 Euro) verkauft worden sein.
Der gelungene Rückseitenentwurf wurde übrigens einige Jahre darauf erneut aufgegriffen, als im Jahr 1925 einmalig ein Jahrgang Vrenelis zu 100 Franken geprägt wurde, mit einer Auflage von 5000 Stück. Dabei handelt es sich bis heute um die größten und schwersten Münzen der Eidgenossenschaft. Und nun, 2022, wurde der Rückseitenentwurf für die Gedenkmünze „100 Jahre letzte Prägung 10-Franken-Vreneli“ erneut aufgegriffen. Statt 10 Franken hat die Gedenkprägung einen Nominalwert von 50 Franken, und die Jahreszahl ist selbstredend auch aktuell. Doch ansonsten blieb das Design der Wertseite unverändert. Auf der von Remo Mascherini gestalteten Vorderseite sehen wir die Jubiläumszahl 100, in deren letzter Null ein Ausschnitt von Landrys Helvetia-Kopf zu sehen ist. Darunter erinnern die Zahl 1911 und 1922 an den Prägezeitraum der 10-Franken-Münze.
Mehr Daten zu der neuen Münze finden Sie in unserer Cosmos of Collectibles Datenbank.
Dort finden Sie auch sämtliche Münzen der Eidgenossenschaft, inklusive der Vrenelis zu 10 Franken und zu 20 Franken.
In diesem Artikel erfahren Sie mehr über einen wichtigen Aspekt der Schweizer Münzprägung im 19. Und frühen 20. Jahrhundert: Die Mitgliedschaft in der Lateinischen Münzunion.
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