Gesundheit, Medizin und die Frauen im Bild der Numismatik zu Corona-Zeiten, Teil 2: Berühmte Medizinerinnen

von Gabriele Sturm

Ärztinnen und Ärzte waren seit jeher für Menschen in gesundheitlichen Notlagen Hoffnungsträger*innen. Im Zuge der Corona-Pandemie rücken sie und andere in Heilberufen tätigen Menschen verstärkt in unseren Aufmerksamkeitsfokus. Während die neu erscheinenden Münzbilder mit namenlosen medizinischen Helfer*innen oder allegorischen Darstellungen deutlich von der aktuellen Pandemiesituation beeinflusst sind, verwiesen die zu Ehren berühmter Ärztinnen und Forscherinnen geprägten Münzen auf andere historische oder gesellschaftspolitische Themen, manche ließen die Fachdisziplin gar in den Hintergrund treten.

Eine frühneuzeitliche Darstellung der Agnodike.

Geschichte der Frauen in der Medizin

Über die vermutlich erste studierte Ärztin der Antike wissen wir wenig. Laut einem Bericht des Historikers Hyginus Mythographus lebte Agnodike um 300 v.c.Z. in Athen und studierte – in Männerkleidung – bei dem alexandrinischen Arzt Herophilos Medizin und Geburtsheilkunde. Als die Verkleidung der praktizierenden Ärztin aufflog und sie wegen ihres ungebührlichen Verhaltens die Todesstrafe befürchten musste, setzten sich einflussreiche Athener Frauen für ihre Gynäkologin ein. Dies bewirkte letztlich eine Gesetzesänderung, die es frei geborenen Frauen fortan erlaubte, die Geburtshilfe und Heilkunde zu erlernen und zu praktizieren (wissen.de 2021). Medizinhistorisch stand sie in der Tradition des hellenistischen Ausbildungs- und Forschungszentrums in Alexandria, wo in jener Zeit vielfältige Entdeckungen gemacht wurden und sich auf deren Basis verschiedene Theorien über die Funktionen des Körpers, über Gesundheit und Medizin herausbildeten. Eine Münzprägung zu ihrem Gedenken gibt es bislang nicht.

Die Medizinerin Trota, eine der Frauen von Salerno, aus einem Mittelalterliches Manuskript um 1200.

Nach der Teilung des Römischen Reiches im Jahr 395 etablierten sich Zentren der medizinischen Wissenschaft vor allem in Konstantinopel, Kairo, Bagdad und Damaskus, wo auch die relevanten Schriften aus dem arabischen, griechischen und lateinischen Sprach- und Wissenschaftsraum gesammelt wurden. Frauenheilkunde und Geburtshilfe blieben meist in den Händen der Frauen selbst – im Orient unter anderem bei ausgewählten Haremsfrauen, im mittelalterlichen Europa vor allem in Klöstern, in denen unter anderem auch eine eigenständige Kräuterheilkunde entwickelt wurde. Die erste medizinische Hochschule Europas entstand im 10./11. Jahrhundert im süditalienischen Salerno. Dort wirkten und lehrten auch einige Frauen, die mulieres salernitanae (Kerckhoff 2010, S.12).

Zu Beginn der Neuzeit und im Zuge eines Aufstiegs akademischer Wissenschaften wurden Frauen dann von regulären Bildungswegen ausgeschlossen und riskierten als Hebammen und heilkundige Frauen in Zeiten der Hexenverfolgungen ihr Leben (erst 1782 wurde im protestantischen Schweizer Kanton Glarus die letzte Hexe Europas hingerichtet – in Deutschland fand entsprechend barbarische Bestrafung 1775 in Kempten statt). Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wagten sich Frauen im Zuge einer ersten Welle von Frauenbewegungen wieder vermehrt in den offenen Kampf um Bildung, Berufsausübung, eigenes Geld, Wahlrecht und eine veränderte sittliche Grundlage der Gesellschaft. Das erste Mädchengymnasium wurde schließlich 1893 in Karlsruhe eröffnet, um jungen Frauen das Abitur als Schulabschluss und als Voraussetzung für den Hochschulzugang zu ermöglichen. Die offizielle Zulassung von Frauen zum Studium an deutschen Universitäten erfolgte dann in den einzelnen Bundesstaaten zwischen 1900 (Großherzogtum Baden mit den Universitäten Heidelberg und Freiburg) und 1909 (Großherzogtum Mecklenburg mit der Universität Rostock). Zuvor hatte 1899 der Bundesrat beschlossen, Frauen im Deutschen Reich offiziell zum Medizin-, Zahnmedizin- und Pharmaziestudium zuzulassen.

Münzprägungen zu Ehren von Ärztinnen

„An Universitäten, die im 18.Jahrhundert Reformbestrebungen offen gegenüberstanden, war einzelnen Frauen, insbesondere den Ehefrauen und Töchtern von Professoren, über informelle Formen des Zusammentreffens ein intellektueller Austausch mit Studenten und Professoren möglich. … [So] nutzte Dorothea Christiane Erxleben, die von dem preußischen König Friedrich II. die Erlaubnis zur Ablegung eines medizinischen Examens erhalten hatte, ihre am 6.Mai 1754 an der Universität Halle erfolgte medizinische Promotion, um als Ärztin tätig zu sein“ (wikipedia: Frauenstudium im deutschen Sprachraum, abgerufen im März 2021).

Auch die Lebensläufe der wenigen anderen im modernen Münzbild erinnerten Ärztinnen zeigen die Notwendigkeit, für ein selbstbestimmtes und gesellschaftlich nachhaltiges Frauenleben kämpfen zu müssen. Im Wintersemester 2019/20 lag der Frauenanteil im Fach Humanmedizin bei 62,5%, der Frauenanteil unter niedergelassenen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen bei 47% (unter Gynäkolog*innen 67,1%, Kinderärzt*innen 54,5%, Hautärzt*innen 53,2%). Im Krankenhaus stellen sie allerdings nur 10% der Chefärzt*innen. All dem folgt die öffentliche Wahrnehmung noch kaum – schon gar nicht im Münzbild.

Im Bild moderner Münzprägungen finden wir folgende Ärztinnen (nach Geburtsjahr):

Dorothea Christiane Erxleben (Quedlinburg 1715 – 1762 Quedlinburg), Arzttochter und erste praktizierende Ärztin in Deutschland mit Hochschulabschluss, Pionierin des Frauenstudiums
> Deutschland, 1 ECU, 1997

Anne Catherine Albertine Isala Van Diest (Louvian 1842 – 1916 Knokke), Schul- und Hochschulausbildung (Abschluss 1879) in der Schweiz (Bern) und in Belgien erste Frau mit einem Universitätsabschluss, praktizierte als Ärztin zunächst in England im New Hospital for Women
> Belgien, 2 Euro, 2011 (Anlass: Internationales Jahr der Frau – CoCo BE-2011-0009)

Maria Montessori (Chiaravalle 1870 – 1953 Nordwijk aan Zee), italienische Ärztin und Pädagogin, als erste Frau Italiens zum Medizinstudium zugelassen, ab 1904 Professorin für Anthropologie an der Universität in Rom, entwickelte didaktische Lehrmaterialien und gründete Kindergärten, Schulen, Lehrerbildungsinstitute: heute weltweit Montessori-Schulen
> Italien, 200 Lire, 1980 (Anlass: FAO-Kampagne Fortschritt für die Landfrauen)
> Italien, 2 Euro, 2020 (Anlass: 150. Geburtstag – CoCo IT-2020-0005)

Ruth Katherina Martha Pfau (Leipzig 1929 – 2017 Karatschi), römisch-katholische Ordensschwester der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä sowie Frauenärztin in Pakistan, bekannt für ihre Arbeit mit Leprakranken
> Pakistan, 50 Rupien, 2017 (Anlass: Zum Tode)

Olha Matwijiwna Awilowa (Beschiza, Gouvernement Orjol 1918 – 2009 Kiew), sowjetisch-ukrainische Chirurgin, Hochschullehrerin und Mitbegründerin der Thoraxchirurgie in der Ukraine
> Ukraine, 2 Griwna, 2018 (Anlass: 100. Geburtstag)

Gro Harlem Brundtland (*Bærum 1939), Medizinerin, 1981 – 1992 Vorsitzende der sozialdemokratischen AP, norwegische Ministerpräsidentin, 1998 – 2003 Generaldirektorin der WHO
> Zambia, 1000 Kwacha, 1998 (Anlass: 50 Jahre WHO)

Grundlagen: Erinnerte Frauen der medizinischen Forschung

Forschungsstellen im medizinischen Bereich, für die ein Universitätsstudium in Medizin, Pharmazie oder Biochemie sinnvoll ist, werden künftig mehrheitlich von Frauen eingenommen werden, denn diese Fächer werden derzeit etwa zu zwei Drittel von jungen Frauen studiert. Und diese haben historisch eine berühmte Vorgängerin, die bereits vor 900 Jahre hinter Klostermauern medizinische Forschung betrieb, bevor Frauen aus diesem Betätigungsfeld nahezu gänzlich vertrieben wurden. Immerhin gibt es für diese berühmte Forscherin eine Münzprägung, die Hildegard von Bingen allerdings mehr in der Rolle als Mystikerin sieht.

Hildegard von Bingen (Bermersheim 1098 – 1179 Kloster Rupertsberg bei Bingen), Benediktinerin, Äbtissin, Schriftgelehrte, Dichterin, Komponistin, Heilkundige, verfasste zwischen 1150 und 1160 zwei natur- und heilkundliche Werke über Eigenschaften und Wirkungen von Kräutern, Bäumen, Edelsteinen, Tieren und Metallen
> Deutschland, 10 DM, 1998 (Anlass: 900. Geburtstag – CoCo DE-1998-0056/60)

Rosalind Franklin (London 1920 – 1958 London), britische Biochemikerin, Spezialistin für Röntgenstrukturanalyse von kristallisierten Makromolekülen – trug zur Entschlüsselung der DNA bei, forschte zur Struktur von Kohlen und Koks als Brennstoff sowie von Viren
> Großbritannien, 50 Pence, 2020 (Anlass: Geburtstag – Serie: Innovation in Science – CoCo GB-2020-0107 bis CoCo GB-2020-0110)

Während der vergangenen 100 Jahre haben es zunehmend Frauen in die modernen Forschungslabore geschafft – auch wenn eine Münzprägung für eine der bislang zwölf Nobelpreisträgerinnen in der Kategorie Physiologie oder Medizin noch auf sich warten lässt.

 

Dieser Text entstammt weitgehend einer im Juni 2021 erschienenen vereinsinternen Broschüre: Sturm, Gabriele (2021). Münzbilder über Gesundheit, Medizin und die Frauen (Der Steckenreiter – eine zeitgemäße Münzbelustigung für vergnügliche Nebenstunden, Folge 138). Bonn: Numismatische Gesellschaft Bonner Münzfreunde e.V. in der Deutschen Numismatischen Gesellschaft.

Hier gelangen Sie zur Seite der Bonner Münzfreunde.

Den ersten Teil der Reihe finden Sie hier.

Quellen

FemBio – FrauenBiographieforschung (Hg.) (abgerufen im März 2021). Gro Harlem Brundtland / Elisabeth von Thüringen / Dorthea Christiane Erxleben / Hildegard von Bingen / Maria Montessori. Abrufbar hier.

Kerckhoff, Annette (2010). Heilende Frauen: Ärztinnen, Apothekerinnen, Krankenschwestern, Hebammen und Pionierinnen der Naturheilkunde. München: Elisabeth Sandmann Verlag.

Wikipedia, die freie Enzyklopädie (abgerufen von März bis Mai 2021). Agnodike / Frauen in der Wissenschaft / Frauenstudium im deutschen Sprachraum / Gendermedizin / Geschichte der Medizin / Nobelpreis für Physiologie oder Medizin /. https://de.wikipedia.org/wiki/.

Wissen.de (Hg.) (abgerufen im März 2021). Dorothea Erxleben und ihr König: Die erste promovierte Ärztin Deutschlands. Abrufbar hier. 

Wissen.de (Hg.) (abgerufen im März 2021). Frauenpower der Antike: Agnodike Ärztin in Männerkleidung. Abrufbar hier.