Gesundheit, Medizin und die Frauen im Bild der Numismatik zu Corona-Zeiten, Teil 3: Personifikationen für Gesundheit und Medizin

Gabriele Sturm

Die Corona-Pandemie verändert moderne Gesellschaften, in denen mensch lange glaubte, alles beherrschen zu können. Gesundheitsprobleme wurden gedanklich entsprechend ins „hohe“ Lebensalter oder in ferne Länder mit Nachholstatus verschoben, galten als privat und waren kaum in öffentlichen Diskursen präsent. Inzwischen gibt es keine Nachrichtensendung mehr ohne Berichte zum Stand der Covid19-Erkrankungen oder der Impferfolge. Dem folgen auch einige Staaten mit ihren aktuellen Münzprägungen, die insbesondere auf die vielen namenlosen medizinischen Helfer*innen oder allegorische Darstellungen von Gesundheit und Medizin hinweisen.

Mysien, Hadrianotherai. Æs, 3. Jahrhundert n. Chr. Auf dem Revers stehender Asklepios v.v., Kopf l., mit Schlangenstab. Aus Auktion Künker 333 (2020), Los 95.

Antike Tradition

Außerhalb des Judentums war in antiken Kulturen immer ein ganzes Pantheon von Gottheiten für die verschiedenen Belange der Menschen zuständig. Die individuelle Gesundheit bzw. die Möglichkeiten der Heilung kranker Menschen waren für eine Gesellschaft derart wichtig, dass es spätestens in der Götterwelt altgriechischer Staaten eine Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Göttinnen und Göttern bezüglich ihrer Aufgaben in der Heilkunst gab. Von den olympischen Gottheiten wurden vor allem Apollon (Heilung allgemein) und Hera (Schwangerschaft und Geburt) zur Hilfe in medizinischen Fragen angerufen. Bedeutsamer wurden jedoch die Asklepiaden, die Familienangehörigen des Asklepios (Äskulap), der laut Homer Sohn des Apollon sowie ein Heros und Arzt in Thessalien war. Neben seiner Gattin Epione (Göttin für die Schmerzlinderung) zählten zu dieser heilkundigen und nach ihrem irdischen Tode vergöttlichten Familie mindestens zwei Söhne und fünf Töchter. Auf griechischen Münzen wurden diese Heilgottheiten spätestens seit dem 5. Jahrhundert v.c.Z. dargestellt (Bernhard 1925) – alternativ auch ihre Tempel, Altäre oder medizinischen Gerätschaften. Nicht nur einige Namen der damals Heilung anbietenden Überirdischen, sondern auch im Zusammenhang mit ihnen gebräuchliche Zeichen und Symbole nutzen wir heute – noch oder wieder – in europäischen Kulturen im Zusammenhang mit medizinischen (Re-) Präsentationen, unter anderem auch im Münzbild.

Hygieia war in der griechischen Mythologie wohl zunächst eine athenische Heilgottheit. Im Laufe der Entwicklung des Mythos wurde sie als personifizierte Gesundheit zur Tochter des Asklepios und schließlich zur Göttin der Gesundheit, die unter anderem im Asklepieion von Athen oder dem von Titane, Heiligtümern des Asklepios mit angeschlossenen Sanatorien, zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester Panakeia, die für die medizinische Therapie im engeren Sinne zuständig war, verehrt wurde. Meist wurde Hygieia mit einer aus einer Schale trinkenden Schlange oder einem Füllhorn voller Früchte dargestellt. Auch römische Provinzialprägungen im 2. und 3. Jahrhundert präsentieren die Göttin der Gesundheit mit genau diesen Attributen – teilweise zusammen mit Asklepios. (Zahlreiche dieser Prägungen sind im Kölner Münzportal des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln anzuschauen.) Von Hygeia wurde während des Tempelschlafes Heilung erhofft oder das Erteilen medizinischer Ratschläge in Form von Traumorakeln. Hygieia gilt bis heute als Schutzpatronin der Apotheker*innen. Auch unser Begriff der Hygiene im Sinne von „der Gesundheit dienlich“ beruht auf ihrem Wirkungskreis (nach wikipedia: Hygieia, abgerufen im März 2021). Später im römischen Kaiserreich scheinen Hygieia-Münzen in den östlichen Provinzen unter anderem dann geprägt worden zu sein, wenn diese von Krankheitsepidemien heimgesucht wurden.

Römische Kaiserzeit. Antoninus II. Marcus Aurelius, für Faustina filia. Aureus, Rom. Drapier-te Büste r. mit Diadem//Salus sitzt l. mit Patera und füttert eine um einen Altar gewundene Schlange. Aus Auktion Künker 341 (2020), Los 5958.

Der Kult des Äskulap und der Hygieia wanderte mit der Ausdehnung des Hellenismus etwa ab dem 2. Jahrhundert v.c.Z. auch nach Italien und in das Römische Reich ein. Dort gab es bereits eine Gottheit, die in einem umfassenderen Sinne für das Wohlergehen zuständig war: Salus. Sie war zuständig für Wohl, Wohlbefinden, Heil, Sicherheit, Gesundheit. Im Unterschied zu Hygieia bezog sich ihr Wirken aber nicht nur auf die sie anrufenden Individuen, sondern auf die Gesellschaft als Ganzes, also auf den Staat, seine Bürger*innen und auf den offiziellen Vertreter dieses Imperiums. In ihrer ursprünglichen Funktion als Saatgöttin trug sie Züge der großen Fruchtbarkeitsgöttinnen des Mittelmeerraums und wurde meist thronend mit Zepter, Schale, Schlange oder mit Getreideähren dargestellt. Insgesamt galt sie als Schutzgöttin des römischen Staates. Zu Zeiten des römischen Kaiserreiches verschmolzen die Zuständigkeiten von Hygieia und Salus zunehmend miteinander. Entsprechend können regional verwendete Darstellungen der Hygieia-Salus auch als Wunsch nach dem Wohlergehen der Provinz als Teil des Reiches verstanden werden (nach wikipedia: Salus, abgerufen im März 2021).

Personifikationen von Heilkunde und Medizin im modernen Münzbild

Die antiken Göttinnen der Heilkunst sind nicht vergessen. Immer mal wieder erschienen Münzen mit Göttinnen bzw. weiblichen Personifikationen der Medizin. Die aktuelle Pandemie hat jedoch ein regelrechtes Beschwörungsritual wiederaufleben lassen: Seit dem vergangenen Jahr häufen sich in Lizenz hergestellte Prägungen von privaten Münzprägeanstalten, die mit den traditionellen Heilgöttinnen ein neues Thema gefunden haben.

> Ägypten, 10 Milliemes, 5 Piastres und 1 Gunayh, 1979 (Isis säugt ihren Sohn Horus; Isis war die mütterliche Göttin der Geburt, der Wiedergeburt, der Genesung, des Schutzes, der Magie und zugleich Totengöttin. Anlass: Kampagne der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO Nahrung und Gesundheit)

> Italien, 500 Lire 1989 (Personifikation der Medizin mit Asklepios-/Hermes-Stab und Strukturmodell der DNA – Mikroskopische Untersuchung von Gewebeproben; Anlass: Europäische Kampagne gegen den Krebs)

> Türkei, 25 Yeni Türk Lirasi, 2006 (Asklepios-Schlangen – mittelalterliche Ärztin; Anlass: 800 Jahre Medizinische Ausbildung in der Türkei Gevher Nesibe Hospital)

> Österreich, 50 Euro, 2015 (Personifikation der Medizin lässt Schlange aus Patera trinken ; Thema: Klimt und die Frauen – CoCo AU-2015-0021)

> Niue, 1 Dollar, 2016 (Thema: Engel der Gesundheit; falls Knabe: Entsprechung antiker Liebesgott, sonst: Erinnerung an geschlechtslose Schönheit, Jugendlichkeit, Leichtigkeit, Freude)

> Italien, 2 Euro, 2018 (Personifikation der Gesundheit mit Fisch, Getreideähre, Asklepios-/Hermes-Stab und Doppelhelix der DNA; Anlass: 60 Jahre Gesundheitsministerium – CoCo IT-2018-0010)

> Niue, 1 Dollar, 2020 (Hygieia füttert Schlange im Weidenbusch; Thema: Aureus Salus – Omnium artium medicina nobilissima)

> Ghana, 5 Cedis, 2020 (Serie: Göttinnen der Gesundheit, Hygieia-Salus – griechisch-römische Göttin der Heilung und des Wohlergehens)

> Ghana, 5 Cedis, 2021 (Serie: Göttinnen der Gesundheit, Živa – slawische Göttin der Lebenskraft, der Fruchtbarkeit, der Saat und der Ernte, hält Apfel als Liebessymbol in der Hand)

> Ghana, 10 Cedis, 2020 (Ausschnitt aus Klimt-Gemälde: Personifikation der Medizin; Thema: Berühmte Künstler Gustav Klimt)

> Samoa, ½ und 5 Dollars, 2020 (Hygieia füttert Schlange aus Patera)

> Ukraine, 5 Hriven, 2020 (Thema: An der Front, Medizin und Militär – CoCo UA-2020-0022)

> Ghana, 5 Cedis, 2021 (Serie: Göttinnen der Gesundheit, Eir – nordische Göttin aus dem Geschlecht der Asen für Heilkunde und Heilung)

> Ghana, 5 Cedis, 2021 (Serie: Göttinnen der Gesundheit, Ixchel / Ix Chel – Mond- und Fruchtbarkeitsgöttin der Maya ist Medizinerin, Erdgöttin, Schutzherrin des Wassers, des Regenbogens und der Schwangeren sowie Erfinderin der Webkunst, mit Kaninchen als ‚Gesicht‘ des Mondes)

> Ghana, 5 Cedis, 2021 (Serie: Göttinnen der Gesundheit, Brigid – keltische Fruchtbarkeits- und Muttergöttin, deren Name auf das von ihr gehütete heilige Feuer verweist, Schutzherrin des Viehs wie der Ernte, Vermittlerin der Heilkraft von Pflanzen und Wasser)

> Ghana, 10 Cedis, 2021 (Hygieia, griechische Göttin der Gesundheit, der Heilung und der Medizin, füttert Schlange, umgeben von Vögeln als Symbol für Freiheit und ewiges Leben)

Mit einer Auflage von nur 500 Exemplaren und einem ungewöhnlich hohem Gewicht von 50 Gramm sind die Silbermünzen der Serie „Goddesses of Health“ – so wie alle anderen im Namen von Ghana in den Jahren 2020/21 geprägten – kaum mehr als „echtes“ Geld zu sehen, sondern als mit einem Nominal versehene Medaillen, die beim Start der Serie von der herausgebenden Prägestätte als ausgefallenes und prestigeträchtiges Geschenke für Apotheker*innen und Ärzt*innen beworben wurden. Auf die in diesen Berufsgruppen bis heute gebräuchlichen Symbole der (mit Heiligenschein versehenen) Heilerinnen wird im Begleittext ausführlich hingewiesen.

Auf jeden Fall ist festzustellen, dass besorgniserregende Zeiten offenbar eigene Formen brauchen, damit mensch ein Gegenüber, eine*n Ansprechpartner*in, Verantwortliche*n, Hoffnungsträger*in oder Partner*in – eventuell auch Gegner*in hat. Für religiöse Menschen ist dies Gott – in welcher Gestalt oder Abstraktion auch immer. Für andere können dies Werte und Normen, Lebensideale, Sinnbilder oder konkrete lebendige Personen sein. Aktuell scheinen auch Bilder moderner Münzprägungen einem Verlangen nach Vergegenständlichung in unsicherer Zeit entgegenzukommen.

 

Dieser Text entstammt weitgehend einer im Juni 2021 erschienenen vereinsinternen Broschüre: Sturm, Gabriele (2021). Münzbilder über Gesundheit, Medizin und die Frauen (Der Steckenreiter – eine zeitgemäße Münzbelustigung für vergnügliche Nebenstunden, Folge 138). Bonn: Numismatische Gesellschaft Bonner Münzfreunde e.V. in der Deutschen Numismatischen Gesellschaft.

Hier gelangen Sie zur Seite der Bonner Münzfreunde.

 

Quellen

Bernhard, Oskar (1925). Griechische und römische Münzbilder in ihren Beziehungen zur Geschichte der Medizin. Zürich: Burgenverein Untervaz. Abrufbar unter: https://download.burgenverein-untervaz.ch/downloads/dorfgeschichte/

Wikipedia, die freie Enzyklopädie (abgerufen von März bis Mai 2021). Eir (Mythologie) / Epione / Geschichte der Medizin / Hygieia / Ix Chel / Salus / Siva. https://de.wikipedia.org/wiki/.