Es gibt Länder, denen ist ihre Geschichte eine Last, die mühsam aufgearbeitet werden muss. Denken Sie nur an Deutschland und den Nationalsozialismus oder Polen und die Geschehnisse des 2. Weltkriegs. Deutschland und Polen thematisieren ihre jüngere Geschichte häufig im Münzbild. Die Numismatik wird so einbezogen in die mühsame Aufarbeitung der Vergangenheit.
In anderen Nationen wird dagegen die jüngere Geschichte regelrecht totgeschwiegen zu Gunsten von weit zurückliegenden positiven Phasen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Griechenland, das den griechischen Bürgerkrieg – mit Opfern und Siegern – nicht nur numismatisch ausblendet. Auch Zypern ist so ein Fall. Die zur EU gehörende Hälfte des geteilten Landes bezieht sich auf ihren Umlaufmünzen hauptsächlich – abgesehen von ein bisschen unverfänglicher Natur – auf Zyperns große Periode, nämlich das ausgehende Neolithicum und die danach folgende Bronzezeit. In dieser Phase lernte die Menschheit, ausgehend vom fruchtbaren Halbmond zwischen Euphrat und Tigris, das Anbauen von Getreide, das Zähmen von Tieren, das Formen von Keramik und das Bearbeiten von Metall, um daraus Arbeitsgerät und Waffen zu schaffen.
Man bezeichnet das, was im Neolithicum geschah, heute als „neolitische Revolution“, wobei diese „Revolution“ sich selbstverständlich über einen sehr langen Zeitraum hinweg und nicht in allen Regionen gleichzeitig abspielte. Wichtigstes Ergebnis war aber, dass an ihrem Ende die Menschen durch die neuen Techniken die Möglichkeit hatten, sesshaft zu werden.
Drehscheibe des Handels: Zypern
Schon vor der neolithischen Revolution hatte es in der vorgeschichtlichen Welt einen Güteraustausch gegeben. Wie man sich den vorstellen muss, nun, darüber streiten sich die Wissenschaftler. Wahrscheinlich waren es keine Händler, die durch die Länder zogen, sondern bestimmte Gegenstände wurden von Sippen auf ihren Wanderungen mitgeführt und als wertvolle Prestigeobjekte beim Treffen mit anderen Sippen weitergeschenkt. Auf die Art und Weise konnten wertvolle Steinklingen, besondere Muschelschalen oder kunstfertige Äxte weit von Sippe zu Sippe reisen.
Dies wird sich geändert haben, als die ersten Sippen sesshaft wurden. Sie brauchten immer noch Produkte, die in anderen Gegenden hergestellt worden waren. Nun übernahmen es abenteuerlustige Kaufleute, ihnen diese Waren mit gutem Gewinn zu bringen. Zypern kristallisierte sich dabei als Drehscheibe des Handels heraus. Hier wurde Kupfer erzeugt, kostbarer Rohstoff Ende des Neolithicums und in der Bronzezeit. Dass Zypern durch das Kupfer reich und zu einem überregionalen Zentrum wurde, ist selbstverständlich.
Auf diese große Vergangenheit spielen die meisten Kursmünzen der Insel an, nicht nur nach der Euro-Einführung, sondern auch zuvor.
Die Zypernmufflons
Seit dem 1. Januar 2008 finden sich zwei Schafe auf der nationalen Seite der zypriotischen Kleinmünzen. Schafe scheinen nicht gerade geeignet zu sein, die nationale Identität zu stärken. Und doch stehen sie neben einem Idol aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., das die Blütezeit Zyperns als Lieferantin des Kupfers vertritt, und einem antiken Handelsschiff als Symbol für die Brückenstellung Zyperns zwischen Ost und West. Irgendwann zwischen 8.200 und 6.800 / 6.500 v. Chr. domestizierten die Menschen die ersten Tiere. Zu ihnen gehörten auch die Vorfahren der heutigen Schafe, die damals nicht wegen der Wolle, sondern eher wegen ihres Fleisches gehalten wurden. Und irgendwann in eben dieser Epoche werden Menschen aus dem Zweistromland hinübergefahren sein nach Zypern. Sie brachten ihr Wissen mit, und auf Zypern verbreiteten sich die Erkenntnisse der neolithischen Revolution. Damit war Zypern der erste Vorposten dieser kulturellen Entwicklung in Europa.
In Zypern leben heute noch wild die Mufflons (ovis orientalis ophion), die man für direkte Nachfahren der ersten importierten Schafe aus dem Osten hält. Zypern stellt sich damit im Münzbild als eine der wichtigen Brückenstationen auf dem Weg der Zivilisation vom Osten in den Westen dar.
Prachtvolle Keramik
Zu Beginn der späten Bronzezeit stellen Archäologen überall auf Zypern einen gewaltigen Zivilisationsschub fest. Die Bevölkerung wuchs stark an, auf der ganzen Insel wurden Befestigungsanlagen erbaut und die Schrift wurde übernommen. Den Reichtum dafür hatte das Kupfer gebracht, das auf Schiffen in den ganzen Mittelmeerraum gebracht wurde. Doch Zypern erzeugte auch landwirtschaftliche Produkte, die man in Gefäßen aus Keramik transportierte. Zypriotische Gefäße hat man in Ägypten, der Levante, aber auch auf Sizilien und Sardinien entdeckt.
Aus der veränderten Bemalung der Keramik und den sich wandelnden Bestattungssitten möchten Archäologen übrigens schließen, dass Griechen aus Mykene in der späten Bronzezeit die Insel eroberten.
Es lag also nicht fern, Umlaufmünzen mit den flächigen Motiven der prachtvollen Gefäße zu schmücken, die sich darüber hinaus hervorragend zur Umsetzung ins Münzbild eigneten. Gleich drei Nominale der Umlaufserie von 1983 zeigen Keramikmotive, das 1-, 2- und 10-Sent-Stück.
Zypern, das in seiner neuesten Geschichte mit der Teilung in Nord und Süd durchaus Geschichte mit Konfliktpotential zu bewältigen hätte, bezieht sich in seiner Münzprägung gerne auf die weit zurückliegende Vergangenheit. Es ist beeindruckend, wie auch heute noch Geschichte und Archäologie in manchen Ländern dazu benutzt werden, staatlicherseits die erwünschte Identität zu erzeugen.