Als 2008 das 50-State-Quarters-Programm auslief, konnte die US-Mint ein enorm positives Resümee ziehen. Die Münzserie war das erfolgreichste Programm in der Geschichte der Münzstätte und hatte sich zu einem landesweiten Phänomen entwickelt. Die Berichterstattung und Aufnahme in der Bevölkerung und Öffentlichkeit seien großartig gewesen, eine ganze neue Generation sei dem Münzsammeln verfallen und auch finanziell sei das Ganze für die US-Mint ein sehr gutes Geschäft gewesen. Was war an dieser Reihe so revolutionär, dass sie so ein Erfolg wurde?
Endlich etwas Neues
Vor mittlerweile 23 Jahren, im Jahr 1999, erschienen die ersten State Quater. Die waren damals schon deshalb etwas Besonders, weil mit ihnen zum ersten mal seit der 200-Jahr-Feier der Vereinigten Staaten 1976 die Motive auf amerikanischen Umlaufmünzen wechselten. Das bisherige Motiv des Vierteldollars, Quarter genannt, zeigte seit den 1930ern George Washington auf der Vorderseite und einen Adler auf der Rückseite – nicht gerade aufregend. Etwas Neues sollte her. George Washington blieb natürlich an seinem angestammten Platz, aber statt des Adlers setzte man auf den Rückseiten eine völlig neue Idee um: Das einheitliche Motiv sollte durch viele verschiedene Bilder ausgetauscht werden. Die Stücke traten somit auf wie Gedenkmünzen, waren aber Umlaufgeld.
Was waren das für Motive? Jeder der 50 US-Bundesstaaten erhielt ein eigenes Münzmotiv. Die Inspiration für dieses Konzept kam aus Kanada. Dort wurde 1992 ein Reihe von 12 Gedenkmünzen zu 25 Cent ausgegeben, die an die 125-Jahr-Feier der Kanadischen Konföderation erinnern sollte und allen 12 Provinzen und Territorien Kanadas je eine Münze zudachte.
Das US-Programm war wesentlich größer: Über 10 Jahre hinweg erschienen 5 verschiedene Quarter-Münzen pro Jahr. Jede Münze wurde dabei nur für 10 Wochen geprägt. Die Bundesstaaten wurden chronologisch nach ihrer Ratifizierung der US-Verfassung abgearbeitet: 1999 ging es los mit Delaware (Beitritt 1787) und die letzte Münze von 2008 war Hawaii gewidmet (Bundesstaat seit 1959).
Das Programm hatte mehrere Ziele. Zum einen: einen politischen Bildungsauftrag. Den Amerikanern, alt und vor allem jung, sollten die Vielfalt des Landes und die Individualität ihrer Staaten vor Augen geführt werden. Noch wichtiger: Man wollte die Begeisterung für das Sammeln von Münzen neu entfachen. Dazu besann man sich klugerweise auf die ursprüngliche Faszination des Münzsammelns: Das Finden von Schätzen für seine Sammlung im eigenen Kleingeld. Hier sollte vor allem Kindern die Liebe zu den Münzen nähergebracht werden, während sie gleichzeitig etwas über ihr Land lernen konnten.
Da die Quarter an sich nicht viel wert sind, so der Gedanke, sollten auch Nachwuchssammler diese Münzen aus dem Wechselgeld sammeln können, ohne dazu den Großteil ihres Taschengeldes einsetzen zu müssen. Eine Sammlung aller 50 Quarter hätte schließlich einen Umlaufwert von gerade einmal 12,50 Dollar. Auf einer „Collector Map“ konnten die erbeuteten Münzen dann in eine Aussparung im entsprechenden Bundesland eingelegt werden. Oder die Großeltern sponserten sogar ein kleines Album zu diesem Zweck, das außerdem weitere Informationen zu den Bundesstaaten enthielt. Die US-Mint stellte außerdem Begleitmaterial für den Schulunterricht bereit, das schon in diesen noch recht jungen Jahren des Internets millionenfach von der Website der Münzstätte heruntergeladen wurde – Bildungsauftrag erfüllt!
Wer das Münzsammeln noch ein wenig umfassender oder mit höherem Budget betrieb, konnte auch versuchen, von jeder Münze ein Exemplar aus Denver und eines aus Philadelphia zu ergattern, denn beide Münzstätten produzierten die Quarter. Außerdem gab es Fassungen mit Polierter Platte und aus Silber, geprägt von der Münzstätte in San Francisco.
Zeig uns deinen Staat
Was zeigen die State Quarter für Motive? Jede Münze trägt den Namen des jeweiligen Staates und das Jahr, in dem er sich den USA anschloss. Dazu kommt das Ausgabejahr und das exzellent zu dieser Serie passende US-Staatsmotto: E pluribus unum – Aus vielen eines. Alles andere wurde den Staaten selbst überlassen, denn die konnten selbst entscheiden, wie „ihre“ Münze aussehen sollte – innerhalb eines gewissen Rahmens.
Das war eine weitere kluge Idee. Die Findung eines Motivs, um den Bundesstaat zu repräsentieren, wurde eine vielbeachtete Frage der Imagepflege. Wie konnte man dem Rest des Landes am besten zeigen, dass der eigene Bundesstaat etwas ganz Besonderes ist? Die meisten Staaten setzten bei der Motivfindung auf ein mehrstufiges Konzept, bei dem Vorschläge von der Bevölkerung eingereicht und beim Gouverneur gesammelt wurden. Nach einer Vorauswahl und einer Absegnung der US-Mint wurde die finale Wahl getroffen – entweder vom Gouverneur oder durch Abstimmung der Bevölkerung. Das Prozedere war in der Regel von einem ziemlichen Medienrummel umgeben, und der Motivwahl kam große Aufmerksamkeit zu. Auch Menschen, die sonst nie einen zweiten Blick auf ihre Münze geworfen hatten, war wichtig, wie sich ihr Bundesland im Pool der anderen Bundesländer darstellen würde. Selten wurde so viel über das Aussehen von Münzen berichtet wie in diesen Jahren. Die Münzen waren in aller Munde, ob auf dem Schulhof oder in LateNight-Shows im Fernsehen.
Die Staaten gaben sich also Mühe, ihrer Besonderheiten und Leistungen hervorzukehren. Wir sehen Sehenswürdigkeiten wie die Freiheitsstatue für New York oder den Grand Canyon für South Dakota. Wir finden Verweise auf Landeskinder wie beispielsweise bei Illinois, das „Land of Lincoln“. Viele Staaten zeigten ihre offiziellen Staatsblumen oder -tiere, sowie malerische Landschaften, das Staatsmotto oder auch eine topographische Karte. Meist ist das Motiv aus mehreren dieser Elemente zusammengesetzt.
Gibt es seltene Exemplare?
So richtig selten ist keine der Münzen, da sie als Umlaufgeld in großen Auflagen ausgegeben wurden. Die lagen im Schnitt bei knapp unter 700 Millionen Exemplaren pro Bundesstaat. Die geringste Auflage hatten die Oklahoma-Münzen mit 416,6 Millionen Exemplaren, die höchste Auflage Virginia mit 1,595 Milliarden Münzen. Große Wertsteigerungen waren hier nicht zu erwarten und sind auch 14 Jahr nach Ende des Programms nicht aufgetreten. Lediglich für ausgezeichnete Erhaltungen werden höhere Preise beobachtet – oder für Fehlprägungen, denn die blieben auch bei den States Quarter nicht aus. So gibt es beispielsweise Versionen des Minnesota-Quarters von 2005 mit zu vielen Bäumen und Exemplare des Kansas-Quarters von 2005, bei denen durch einen beschädigten Stempel aus „IN GOD WE TRUST“ (auf Gott vertrauen wir) amüsanterweise „IN GOD WE RUST“ (dt: rosten) wurde. 2000 kam es zur unabsichtlichen Ausgabe von extrem seltenen Zwittermünzen, die mit dem Vorderseitenstempel des Quarters und dem Rückseitenstempel des Dollars geprägt wurden. Nicht einmal 20 Exemplare dieser Münzen sind bekannt, eines davon wechselte 2012 für 155.000 Dollar den Besitzer. Sie sehen, auch hier sind Schätze zu bergen.
Eine neue Vielfalt
Wie eingangs erwähnt, wurden die State Quarter ein voller Erfolg für die US-Mint. Laut einer Pressemitteilung sollen sie von ca. 140 Millionen Amerikanern gesammelt worden sein. Aufgrund der Beliebtheit der Serie rückte man von dem ursprünglichen Vorhaben ab, nach 2008 wieder den Adler auf die Rückseite zu bringen. Stattdessen setzte man das bewährte Konzept fort. Zunächst wurde ergänzend zu den 50 State Quartern 2009 Washington DC (kein Bundesstaat, sondern nur ein Distrikt) und den fünf US-Überseeterritorien je ein Quarter gewidmet. Im Anschluss ab 2010 und bis 2021 lief die Serie der „America the Beautiful“-Quarter. Dabei handelte es sich um eine Art Fortsetzung der State Quarter, auf denen Nationalparks und historische Stätten der Bundesstaaten dargestellt wurden. Seit 2022 prägt man bedeutende Frauen der US-Geschichte auf die Quarter, und auch die Dollarmünze zeigt seit 2018 mit dem American-Innovation-Programm wechselnde Motive. Obwohl das öffentliche Interesse und die Nachfrage gegenüber den ursprünglichen 50 States Quarter inzwischen viel geringer ist, lässt sich festhalten: So vielfältig und „sammelbar“ wie heute waren die US-Münzen noch nie.
Auch im Ausland wurde das Konzept aufgegriffen. Deutschland brachte zwischen 2006 und 2022 pro Jahr je eines seiner 16 Bundesländer auf 2 Euro-Gedenkmünzen, meistens präsentiert durch eine Burg, ein Schloss oder eine Kirche. Auch hier gibt es eine Fortsetzung: Von 2023 bis 2038 wird die Serie mit neuen Motiven wiederholt. Japan startete ebenfalls eine ähnliche Serie und veröffentliche von 2008 bis 2016 500-Yen Umlaufgedenkmünzen für jede seiner 47 Präfekturen.
Renaissance
In einer Zeit, in der der Handel und das Hobby allgemein in einer Krise war, brachten die State Quarter die Begeisterung für das Sammeln von Münzen in eine neue Generation von Amerikanern, indem sie einen genaueren Blick aufs Wechselgeld belohnten. Fast zeitgleich trat bei uns in Europa ein ähnlicher Effekt ein, als nach der Euroeinführung Münzen aus allen Euro-Staaten zu kursieren begannen. Plötzlich hielt man auch hier die Augen nach seltenen (ausländischen) Stücken im Wechselgeld offen, um sein Sammelalbum voll zu bekommen. Durch diese zwei Entwicklungen könnte man die Zeit um 2000 sicher als Renaissance für das Hobby des Münzsammelns bezeichnen, das plötzlich wieder viel präsenter war als in den Jahrzehnten davor und viel größere Teile der Bevölkerung erreichte. Den Initiatoren um den damaligen Münzstätten-Direktor Philip Diehl dürfen wir rückwirkend auf jeden Fall zu einem gelungenen Projekt gratulieren, das das Hobby revitalisiert und in eine neue Generation getragen hat.
Alle 50 State Quarter und die District of Columbia and U.S. Territories Quarter finden Sie bei Cosmos of Collectibles.
Harvey Stack galt als wichtiger Ideengeber hinter den State Quarter. Am 3. Januar 2022 ist er verstorben. Lesen Sie hier einen Nachruf von Ursula Kampmann.
Wir haben Ihnen Geschichten und Aufgaben der US-Münzstätten in Philadelphia, Denver, San Francisco und West Point in eine Reihe von Artikeln vorgestellt.